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Belohnungssystem Grundschule – Ideen, Beispiele, Kritik

Aktualisiert: 7. Feb.


Belohnungssystem Grundschule

Das gute, alte Belohnungssystem in der Grundschule… Fluch oder Segen? Ob Belohnungen für Schüler:innen überhaupt pädagogisch vertretbar sind und ob der Einsatz eines Belohnungssystems sinnvoll ist oder nicht – da scheiden sich die Geister.


Daher wollen wir uns hier einmal verschiedene Formen von Belohnungssystemen in der Grundschule ansehen und deren Vor- und Nachteile beleuchten, um uns diesem kontroversen Thema ein wenig zu nähern.


INHALTSVERZEICHNIS


Lesebrille auf? Los geht´s.

 

Belohnungssystem für Schüler:innen – Was zu beachten ist

Bevor wir uns einzelne Belohnungs- oder auch sogenannte Tokensysteme in der Grundschule ansehen, ist es wichtig, den Sinn hinter einem solchen System zu analysieren: Worum geht es?


Belohnung Grundschule Ideen

Belohnungssysteme sollen häufig für eine ruhige Atmosphäre sorgen, damit ein lernförderliches Klima entsteht, in dem sich alle Kinder wohlfühlen und konzentriert arbeiten können. Was sich jedoch dabei manchmal entwickelt, lässt sich eher als „Bestrafungssystem“ bezeichnen, weil es störendes Verhalten sanktioniert und teilweise Kinder vor allen anderen beschämt. Das darf auf keinen Fall passieren, denn diese Form von System begünstigt eine Abwärtsspirale und drückt so manchem Kind einen Stempel auf.


Schauen wir uns einmal 3 konkrete Ideen und Beispiele an:

 

Belohnungssystem mit Sonne, Wolke und Blitz

Häufig hängen in Klassenzimmern die drei typischen Bildkarten auf DinA4 Größe ausgedruckt mit einer Sonne, einer Wolke und ganz unten einem Blitz. Dabei hängen Wäscheklammern mit dem Namen der Kinder an der Seite und es wird am Morgen bei Sonne gestartet und „wer sich nicht benimmt“, rutscht erst auf die Wolke und bei weiteren Vorfällen auf den Blitz. (Welche Konsequenz dann folgt, ist von der jeweiligen Lehrkraft abhängig.)


Belohnungssystem Grundschule Sonne Wolke Blitz

Schwierig dabei ist, dass dieses System eher ein Bestrafungssystem ist, denn jedes unerwünschte Verhalten führt zu einem Abstieg, der auch noch öffentlich sichtbar für alle Kinder der Klasse ist und damit auch eine beschämende Komponente hat. Und die Erfahrung zeigt, dass immer wieder dieselben Kinder nach unten rutschen, sodass bald eine Art Gewohnheit daraus entsteht: „Klar, dass ich schon wieder auf den Blitz runter gerutscht bin. Ist ja jeden Tag so.“ Das führt sowohl zu Frustration als auch zu Resignation und ist daher meines Erachtens kein geeignetes Belohnungssystem.


Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch das Belohnungssystem mit einer Ampel. Hier werden die drei Zustände statt durch Sonne, Wolke und Blitz durch die Farben grün, gelb und rot symbolisiert und auch hier muss die gleiche Kritik angewandt werden, da das System öffentlich ist und zugleich eher straft als belohnt.


Belohnungssystem Ampel

Belohnungssystem für Gruppentische

Und wie steht es um die Gruppenbelohnung in der Grundschule? Wenn Kinder an Gruppentischen sitzen, wird zum Teil ein Belohnungssystem für die Gruppe angewandt. Das könnte zum Beispiel ein Glas in der Mitte des Gruppentisches sein, das mit Murmeln gefüllt ist und bei dem Murmeln hinzugefügt und weggenommen werden können.


Belohnungssystem Murmeln

Der Idee dahinter ist, dass der Wettbewerbsgedanke („Kommt, wir sind die Gruppe, die am schnellsten aufgeräumt hat!“) die Kinder anspornt, als Team zusammenzuarbeiten. Dieser Hintergedanke ist absolut positiv. Aber nun muss ich gleich wieder mit der Kritik kommen… An sich ist es absolut begrüßenswert, wenn alle an einem Strang ziehen und dadurch ein gemeinsames Ziel erreichen.


Aber in der Praxis passiert es oft, dass einzelne Mitglieder („Oh Mann, Alina… Du bist schon wieder so langsam!“ oder „Mensch Oliver, wegen dir bekommen wir jetzt keine Murmel!“) für das vermeintliche „Versagen“ der ganzen Gruppe verantwortlich gemacht werden und dadurch Ärger auf bestimmte Kinder entsteht, die man am liebsten nicht in seiner Gruppe haben möchte. Und es gibt nun mal Schüler:innen, denen es (aus welchen Gründen auch immer) nicht gelingt, bestimmte erwünschte Verhaltensweisen zuverlässig zu zeigen. Und auch hier kann der ursprüngliche Gedanke des Belohnens verdreht werden und für einzelne Kinder zu einer Stigmatisierung führen.


Daher plädiere ich statt eines Belohnungssystems für Gruppentische für ein individuelles Belohnungssystem in der Grundschule.

 

Belohnungssystem mit Smileys

Kommen wir zu einem dritten Beispiel. Oft wird ein Tokensystem in der Grundschule auch mit dem Sammeln von Smileys (z. B. in Form von Stickern oder auch Stempeln) durchgeführt. Wer XY erfolgreich erreicht hat oder sich an Regel YZ gehalten hat, bekommt einen Smiley-Sticker. Also ein freundlich lachendes Gesicht, was signalisiert: „Da freut sich jemand.“


Belohnungssystem Smiley

Und du ahnst es – hier kommt die nächste kritische Anmerkung… Das Problem mit Smileys ist, dass sie für ein Gefühl stehen. Ein lachender Smiley kann als „Jetzt freut sich die Frau Schuster aber über dich.“ gedeutet werden, was im Umkehrschluss auch bedeuten kann: „Wenn du dich anders benimmst, ist deine Lehrerin traurig…“ 


Kleine Anmerkung: Auch bei Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen wird häufig mit Smileys gearbeitet, wenn es um die Beurteilung von Arbeits- und Sozialverhalten wie auch anderer Leistungen geht. In diesem Zusammenhang sind Smileys noch einmal kritischer zu betrachten, weil hier die Verbindung zwischen erbrachter Leistung und fröhlich bzw. traurigem Smiley direkt gezogen wird.


Zurück zum Belohnungssystem: Wenn das Verhalten von Kindern zu plakativ mit einem Gefühl verbunden wird, ist das diskussionswürdig. Denn wer keine Smileys sammelt, ist sich vielleicht dadurch der Zuneigung der Lehrkraft nicht mehr so ganz sicher.


Vielleicht ist diese Auffassung für manch einen nicht nachvollziehbar, aber angesichts der Möglichkeit auch andere Symbole als Smileys zu verwenden, würde ich nach Alternativen suchen (auch wenn die Verwendung von Smileys natürlich nicht direkt zu einem katastrophalen Ergebnis führt). Am Ende ist diese Entscheidung sicherlich Ansichtssache.

 

Belohnungssystem in der Grundschule – Kritik über Kritik?

So, nun hab ich dir drei Ideen vorgestellt und alle sind nichts? Überall wird etwas kritisiert und nun stellst du dir die Frage: Soll ich überhaupt mit einem Belohnungssystem arbeiten?


Belohnungssystem Grundschule Kritik

Ein kurzes Zwischenfazit: Belohnungssysteme sind kein einfaches Thema. Manche lehnen sie grundsätzlich ab, andere schwören auf die Wirksamkeit. Und eines muss man sagen: Sie funktionieren in der Praxis tatsächlich. Aber nicht immer aus den richtigen Gründen.


Daher denke ich, dass Belohnungssysteme mit Bedacht eingesetzt werden müssen. (Und ich stell dir gleich auch noch eines vor.) Aber ich sehe das Belohnungssystem als ein Tool aus dem gesamten Werkzeugkasten rund um das komplexe Thema Classroom Management. Zu einer guten Klassenführung gehört in erster Linie eine gute Beziehung zu deinen Schüler:innen. Dazu gehört Empathie und Zugewandtheit ebenso wie klare Strukturen und sinnvolle Rituale. Ein Belohnungssystem kann begleitend manche Prozesse unterstützen, darf aber nie alleine stehen als einziges Mittel, um eine Klasse zu führen.


Aber wie kann ein vertretbares Belohnungssystem denn nun aussehen? Ich will dir eines vorstellen, mit dem ich gute Erfahrungen gemacht habe. (Und wer ich überhaupt bin und warum ich diesen Blog schreibe, kannst du hier nachlesen.)

 

Belohnungssystem mit Muggelsteinen

Das Tokensystem, das nun beschrieben wird, ist ein individuelles Belohnungssystem für die Grundschule. Jedes Kind bekommt ein kleines Schälchen (z. B. auch Trockenton geformt), in das drei Muggelsteine passen. Dieses Schälchen steht am Platz neben dem Mäppchen und ist damit für das Kind präsent, aber nicht für alle Mitschüler:innen wie ein Aushängeschild sichtbar (im Gegensatz z. B. zum Ampel-System).


Am Anfang der Woche ist jedes Schälchen mit drei Muggelsteinen gefüllt. Und wenn nun am Dienstag jemand seine Hausaufgabe vergisst, gibt derjenige einen Muggelstein ab, den er allerdings am Mittwoch wieder zurückbekommt, wenn dann die Hausaufgabe nachgereicht wird.


Belohnungssystem Grundschule Muggelsteine

Und genauso funktioniert dieses System auch z. B. mit Unterrichtsstörungen: Tut sich Melissa schwer, sich zu melden und ruft ständig dazwischen, dann kannst du als Lehrkraft in einer ruhigen Minute zu ihr gehen, einen Muggelstein nehmen und sagen: „Melissa, probiere das nächste Mal, dich zu melden. Ich weiß, dass du das kannst.“ Der Anreiz, den Stein zurückzubekommen, ist eine hohe Motivation für Kinder, an diesem nächsten, kleinen Schritt zu arbeiten. Und wenn Melissa sich beim nächsten Unterrichtsgespräch meldet ohne hereinzurufen, wandert der Stein direkt zurück und der Stolz über eine positive Erfahrung prägt sich ein.


Klar, das erfordert ein sehr individuelles Handling der verschiedenen Herausforderungen aller Kinder. Aber es ist absolut lohnend, diesen Weg einmal auszuprobieren und somit zwischendurch ein kurzes Feedback an einzelne Schüler:innen zu geben, weil die Haltung dahinter konstruktiv und fördernd ist. Und das spüren auch die Kinder.


Und so kann es sein, dass im Laufe der Woche einmal ein Stein die Schale verlässt und dann später wieder zurückkehrt. Das passiert dann einfach nebenbei, ohne dass einzelne Kinder dafür vor aller Augen „bestraft“ werden durch ein Hinabrutschen an irgendwelchen ausgehängten Symbolen.


Kleine Randnotiz: Wenn eine Leistung besonders gewürdigt werden soll, dann kann auch mal ein vierter Stein vergeben werden. Der bringt in dem Sinne keinen speziellen Vorteil, aber ist womöglich ein Puffer und kann als Würdigung verstanden werden, wenn eine besondere Mühe belohnt werden soll.



Individuelles Belohnungssystem Grundschule


Und wer dann am Freitag seine drei Steine (oder auch vier) im Schälchen hat, darf sich einen Sticker nehmen, der dann auf ein kleines Sammelblatt geklebt wird. (Ein Klassiker!) Und bei 10 Stickern – was schon eine ordentliche Leistung ist – gibt es das Grand Finale: Die Kinder dürfen sich aus einer schön gestalteten Box oder Kiste eine besondere Muschel aussuchen.


Warum eine Muschel? In der Regel haben wir in unseren Breitengraden eher das Problem, dass genug kleines Plastikspielzeug oder anderer Krimskrams vorhanden ist. Eine Muschel hat einen ideellen Wert. Du als Lehrkraft hast sie vielleicht von deiner letzten Reise mitgebracht und mit viel Liebe am Strand für deine Klasse gesammelt. Die Kinder können sich aus diesem Schatz die Muschel auswählen, die ihnen am besten gefällt und die später auch kein anderer haben wird. Ein kleines Geschenk, das kein Geld kostet und trotzdem durch seinen Hintergrund die Anstrengungen der Kinder würdigt.


Belohnungssystem Muggelsteine

Und noch eine Anmerkung: Wenn es Kinder gibt, für die der Zeitraum einer Woche absolut zu lang und zu herausfordernd ist, dann kann mit diesem Kind auch ein anderer Zeitraum (z. B. drei Steine am Ende eines Tages) vereinbart werden. Das sind eher Ausnahmefälle, aber manchmal ist dieses Vorgehen für bestimmte Kinder sinnvoll.

Mit diesem Belohnungssystem habe ich persönlich gute Erfahrungen gemacht, aber sicherlich lässt es auch manches offen, weshalb es auch nur als Anregung oder Idee zu verstehen ist.

 

Belohnungen für Schüler:innen – Ja oder nein?

Am Ende muss jeder für sich entscheiden, wie er oder sie zum Thema Belohnungssystem steht. Und beide Ansichten sind vertretbar, solange die Haltung hinter einem Belohnungssystem eine Haltung ist, die Kinder nicht bestrafen, beschämen oder vorführen will.


Wer das Belohnungssystem mehr als ein individuelles Feedback-System einsetzt und dabei die Entwicklung der Kinder positiv fördern will, der kann dies als ein Tool des Classroom Managements einsetzen. Und vielleicht wird es irgendwann einmal überflüssig, weil Beziehungen stärker gewachsen sind und andere Strukturen greifen. Auch das ist denkbar.


Belohnungssysteme Grundschule

Alles Gute für dich und dein Classroom Management!

Deine Rebekka




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